„Schnelle und niedrigschwellige Hilfe ist essentiell“ – Austausch mit dem bayerischen Gesundheits- und Pflegeminister zum Thema „psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen“

Bayreuth. Der Bedarf ist immens, das Angebot an Therapieplätzen reicht hingegen gegenwärtig nicht aus – die Folge: monatelanges Warten. Für viele der jungen Patientinnen und Patienten ist diese Situation angesichts ihres schlechten Zustandes nur schwer auszuhalten. Schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie mussten viele psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche monatelang auf einen Therapieplatz warten. Die Pandemie habe nun noch einmal als „Brandbeschleuniger“ gewirkt und zu einem dramatischen Anstieg der Erkrankungen bei einem ohnehin bereits deutlich zu geringen Therapieplatzangebot geführt, so die Bayreuther Bundestagsabgeordnete Dr. Silke Launert, auf deren Einladung hin am vergangenen Freitag ein Austausch zwischen dem bayerischen Gesundheits- und Pflegeminister Klaus Holetschek, den Gesundheitseinrichtungen des Bezirks Oberfranken sowie politischen Vertretern über die bestehenden Probleme und Chancen im Bereich der medizinischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen stattfand. Vonseiten der Gesundheitseinrichtungen des Bezirks Oberfranken (GeBO) nahmen Katja Bittner, Mitglied des Vorstandes der GeBO, der Leitende Ärztliche Direktor, Prof. Dr. med. habil. Thomas W. Kallert, sowie der Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters, Dr. med. Uwe-Jens Gerhard teil. Auf politischer Seite waren der Bezirkstagspräsident Henry Schramm, sein Stellvertreter und Fraktionsvorsitzender im Stadtrat, Dr. Stefan Specht, der Oberbürgermeister der Stadt Bayreuth, Thomas Ebersberger sowie der Landtagskandidat der CSU für 2023, Franc Dierl, anwesend.

„Wir müssen alles dafür tun, um die Versorgungssituation für Kinder und Jugendliche mit psychischem Hilfebedarf weiter zu verbessern, um den Betroffenen bestmöglich zu helfen“, so die klare Ansage von Staatsminister Klaus Holetschek im Anschluss an die interne Gesprächsrunde. „Immer mehr Menschen nehmen bei psychischen Problemen professionelle Hilfe in Anspruch. Das ist – insbesondere auch im Sinne der weiteren Entstigmatisierung von psychischen Erkrankungen – sehr zu begrüßen.“ Es brauche kürzere Wartezeiten und weitere bedarfsgerechte Therapieangebote. Um dies zu erreichen, müssten beispielsweise ambulante und stationäre Angebote noch besser vernetzt werden, führte der Gesundheits- und Pflegeminister in diesem Zusammenhang aus. Der Minister unterstrich: „Wir treiben in Bayern den Ausbau der voll- und teilstationären Angebote in der Erwachsenen- und in der Kinder- und Jugendpsychiatrie konsequent voran.“ Holetschek ergänzte: „Menschen in psychischen Notlagen sowie ihre Angehörigen können sich in Bayern zudem rund um die Uhr an die Krisendienste wenden (kostenlose Rufnummer: 0800/655 3000). Mit den Krisendiensten setzen wir ein wichtiges Zeichen und deutschlandweit Maßstäbe! (www.krisendienste.bayern.de)“
Auch die Bayreuther Bundestagsabgeordnete Silke Launert hob hervor, dass es im Bedarfsfall immens wichtig sei, dass Kinder und Jugendliche niedrigschwellig, fachkompetent und vor allem so schnell wie möglich Unterstützung erhielten, damit sich gegebenenfalls eine psychische Erkrankung nicht weiter verfestigte. Die Gesprächsteilnehmer waren sich vor diesem Hintergrund einig, dass „an mehreren Stellschrauben gleichzeitig“ angesetzt werden müsse.

Einen wesentlichen Ansatzpunkt sahen die Diskutanten in der baulichen Erweiterung der stationären Behandlung. Mit dem Neubau für die Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters am Bezirkskrankenhaus Bayreuth gehe man insoweit einen zentralen Schritt in die richtige Richtung. Anstatt der bisherigen 38 Plätze im Altbau werde es dann 60 stationäre und 14 tagesklinische Plätze geben, so Bezirkstagspräsident Henry Schramm. Baubeginn soll im kommenden Jahr sein. 45 Millionen Euro kostet das Projekt insgesamt, von denen 29 Millionen vom Freistaat bereitgestellt werden.

Darüber hinaus sei es aber auch wichtig, ambulante Behandlungsformen zu stärken sowie niedrigschwellige Hilfen, etwa in Schulen, anzubieten, hob Katja Bittner hervor und kam in diesem Kontext auf die zweite Stellschraube, die Gewinnung von Fachkräften, zu sprechen. Die immense Herausforderung ergebe sich insoweit unter anderem aus der gesunkenen Attraktivität der Pflegeberufe, dem Ausscheiden einer geburtenstarken Generation aus dem Berufsleben wie auch aus der Anzahl der Studienplätze und der engen Zulassungsvoraussetzungen für ein Studium im Bereich der Medizin. „Irgendwo muss man immer anfangen, wenn man weiterkommen will“, weiß Bezirkstagspräsident Henry Schramm. Der Bezirk Oberfranken bediene die hohe Nachfrage unter anderem auch durch Investitionen in die Ausbildung von Fachkräften. Der Leitende Ärztliche Direktor der GeBO, Prof.Kallert, ergänzte, dass man über den Medizincampus Oberfranken auch für die Psychiatrie junge Ärzte gewinnen wolle.

„Die Ausbildung und Arbeit der medizinischen Fachkräfte soll am Krankenbett stattfinden und nicht am Laptop“, fügte Kallert in Bezug auf die dritte große Stellschraube an: den Bürokratieabbau. Die Schere zwischen der durch die Bedarfsplanung deklarierten Über- oder Regelversorgung und die Wahrnehmung der zu versorgenden Menschen müsse zusammengeführt werden. Wichtig sei hierbei, betonte Staatsminister Holetschek, dass die Selbstverwaltung, insbesondere der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), seine Regelungen der Realität anpasse. „Wir müssen Strukturen schaffen, die es ermöglichen, den Kindern, die unsere Hilfe brauchen, auch wirklich helfen zu können“, so der bayerische Staatsminister. In vielen Bereichen sind sich die Minister der Länder bundesweit einig und tragen die Anliegen im Rahmen der Gesundheitsministerkonferenz immer wieder an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach heran. Staatsminister Holetschek und die Bundesagentur für Arbeit laden gemeinsam zu einem Runden Tisch zum Thema „Arbeitsbedingungen in der Pflege“ ein, bei dem diskutiert werden soll, wie der Personalbedarf in der Pflege langfristig gesichert werden kann.

Franc Dierl und Stefan Specht nehmen aus dem Gespräch eine positive Grundstimmung mit. Die „Herkules-Aufgabe“ der Politik sei es, so Dierl, die Rahmenbedingungen zu verbessern, sodass bereits bei Anzeichen von psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen frühzeitig eingegriffen und somit Langzeitfolgen im Leben der Betroffenen verhindert werden können.

Chefarzt Uwe-Jens Gerhard, der als Arzt in unmittelbarem Patientenkontakt steht, bedankt sich bei der Bundestagsabgeordneten Silke Launert für die thematische Initiative und freut sich auf die weitere Umsetzung der Forderungen.

„Es gibt noch einiges zu tun, aber wir befinden uns auf dem richtigen Weg“, resümierte Launert am Ende des Austausches.